Rüdiger Witzel kennt jede Schraube seines Hanomag-Radschleppers. Kein Wunder, schließlich hat er dieses Nachkriegsmodell in zweijähriger Arbeit komplett zerlegt, restauriert und wieder zusammengebaut. Damit ist der Vereinsvorsit-zende unter den insgesamt 180 Mitgliedern des IGHL in bester Gesellschaft. Sie alle verbindet die Begeisterung für alte Landmaschinentechnik.
Damit ihre Schätzchen aber nicht nur bei regelmäßigen Ausfahr-ten Tageslicht sehen, sondern sich möglichst viele Menschen ein Bild von der Landarbeit ab der Jahrhundertwende bis zu den Wirtschaftswunderjahren machen können, hat der Verein 1989 eine alljährliche Brauchtumsausstellung ins Leben gerufen. Und die ist nicht nur für Oldie-Freunde im Main-Kinzig-Kreis ein sommerliches Highlight. Mittlerweile kommen mehr als 5.000 Besucher aus ganz Hessen, um den historischen Ackerschleppern, Mähbindern oder Holzkreissägen bei ihrer tuckernden Arbeit zuzusehen. Auch die althergebrachte Handwerkskunst kommt nicht zu kurz. So führt eine Strohseilerin etwa vor, wie aus den trockenen Halmen feste Stränge werden. Ein Schafscherer entledigt die wuscheligen Paarhufer in kürzester Zeit ihrer Wolle. Und trotz brütender Sommerhitze hämmert Helmut Horstert auf den Amboss, um den Gästen das historische Schmiedehandwerk näherzubringen. Selbst Hand anlegen dürfen die Zuschauer aus Versicherungsgründen zwar nicht. Der ein oder andere Aussteller lässt sich aber erweichen, technikbegeisterte Väter und deren Kinder ein kleines Stück auf seinem Traktor mitzunehmen.
Dass hier viel Leidenschaft im Spiel ist, merkt man jedem der rund 400 Aussteller an. Wer ihnen Fragen zu ihren Oldies stellt, erhält nicht nur leicht verständliche Erklärungen, sondern spürt auch die Begeisterung, mit der sie bei der Sache sind.
„Im vergangenen Jahr ist einer unserer Aussteller den ganzen Weg von Hamburg bis Marköbel mit seinem Traktor gefahren“, berichtet Rüdiger Witzel und zwikert: "Ein ganz klein wenig verrückt muss man dafür schon sein, aber es ist einfach ein schönes Hobby."
Bei allem Spaß ist die Organisation der Brauchtumsausstellung allerdings enorm anstrengend und bedeutet viel Planungsaufwand. Und wenn die Vereinsmitglieder Pech haben, bleiben viele Gäste bei schlechtem Wetter doch lieber daheim. Warum tun sie sich das also Jahr für Jahr an?
„In meiner Jugend gab es in jedem Dorf mindestens einen Landwirt“, erinnert sich der 66-Jährige. „Heute ist das längst nicht mehr so. Wo sollen Kinder denn noch sehen, wie man Schafe schert oder wie man mit echten Pferde-stärken einen Acker umpflügt? Dieses Wissen wollen wir nicht nur bewahren, sondern lebendig halten.“
Der Baiersröderhof bietet zum Glück genug Platz dafür. Pächter Walter Scheuerle ist zugleich das älteste Vorstandsmitglied des IGHL. Er lässt einen kleinen Teil seiner Felder unbearbeitet, damit die Oldie-Freunde mit ihren historischen Landmaschinen dort ernten, pflügen und mähdreschen können. Die Traditionspflege passt hervorragend zur 870-jährigen Geschichte des Hofs, der seit dem 19. Jahrhundert eine beispielhafte Entwicklung vom spätfeudalen Gutshof zu einem modern bewirtschafteten Landwirtschaftsbetrieb vollzogen hat.
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