Nah am Wasser

- Wie eine gute Idee aus dem Sauerland in den MKK schwappt -

Die Grundwasserstände in der Region sinken seit Jahren. Wie lässt sich angesichts dessen die Trinkwasserversorgung auch in Zukunft sicher gewährleisten? Holger Scheffler, Geschäftsführer des Wasserverbands Kinzig, hat zu dieser Frage viele Jahre recherchiert – und eine interessante Inspiration im Hochsauerland gefunden.

Meschede und Bad Soden-Salmünster – zwei Städte, die bis auf ihre frühere Zugehörigkeit zu Preußen, die sich in beiden Stadtwappen zeigt, nicht allzu viel verbindet. Etwas ganz Entscheidendes haben sie allerdings gemeinsam: Sie liegen in unmittelbarer Nähe von Talsperren. Dass Holger Scheffler und seine Experten vom Wasserverband Kinzig eine gute Inspiration für die Zukunft der regionalen Wasserversorgung im Main-Kinzig-Kreis im Hochsauerland finden würden, hätten sie vor einigen Jahren noch nicht gedacht. Das dortige Prinzip ließ sich jedoch nicht einfach kopieren. „Jede Talsperre ist ein Unikat und man muss zahlreiche ökologische und technische Faktoren vor Ort berücksichtigen“, erklärt Holger Scheffler. 

Für die Trinkwassergewinnung in der Region nutzt der Verband bislang vor allem Brunnen. „Aufgrund unserer Messungen war uns bereits vor Jahren bewusst, dass wir durch Klimawandel bedingt sinkende Grundwasserstände in Zukunft nicht mehr nur auf die Grundwasserentnahme zurückgreifen können“, berichtet der Experte. Eine Alternative zur Grundwasserspiegelabsenkung durch herkömmliche Brunnenanlagen sind beispielsweise Horizontalfilterbrunnen, die nicht  tiefer als zehn Meter unter die Erde gehen und mit zahlreichen krakenartigen Förderarmen umweltschonend Wasser aus dem Boden fördern. Um genügend Fördermengen für das Trinkwassernetz zu sichern, brauchte es allerdings eine größere Lösung. Der Kinzig-Stausee war zwar wortwörtlich nahe liegend, aber nicht für die Trinkwassergewinnung, sondern allein für den Hochwasserschutz konzipiert worden. Darum kam er für Ersteres lange Zeit nicht in Betracht – bis die Hennetalsperre bei Meschede 2016 zeigte, wie eine solche Mehrfachnutzung mit den hohen Auflagen für die Trinkwassergewinnung trotzdem funktionieren kann. Das Projekt, das innerhalb der Wasserwirtschaft für reichlich Aufsehen sorgte, ließ den Wasserverband Kinzig hellhörig werden.

„Wir haben mit den Kollegen aus dem Sauerland zahlreiche gute Gespräche geführt und anschließend untersucht, inwiefern sich das dort angewandte Prinzip auf unsere Region übertragen lässt.“ Mittels sogenannter Hightech-Ultrafiltration, die auch kleinste Keime, Bakterien und Viren restlos aus dem Wasser holt, lässt sich aus dem Wasser des eigentlich für die Schifffahrt angelegten Stausees bei Meschede reinstes Trinkwasser gewinnen. 

Könnte das auch ein Modell für den Main-Kinzig-Kreis sein? Eine erste Überprüfung der Wasserqualität lieferte ein klares Ergebnis: „Wir haben nicht schlecht gestaunt, als feststand, dass das Wasser der Kinzigtalsperre beinahe schon Trinkwasserqualität hat“, erinnert sich Holger Scheffler. Mit seinen Messergebnissen wandte sich das Team an das renommierte Rheinisch-Westfälische Institut für Wasserforschung, kurz IWW. Gemeinsam mit den Forschern und mit großer finanzieller Unterstützung des Landes Hessen entstand so eine Ultrafiltrations-Pilotanlage, die mithilfe eines Multibarrieresystems inklusive Aktivkohle und Ozon anlagen qualitativ bestes Trinkwasser lieferte. In der Zeit von Mai 2019 bis Juli 2020 musste die Anlage in einer Testphase beweisen, ob ein derartiges Vorhaben im großen Maßstab überhaupt ökonomisch und ökologisch für die Region realisierbar ist. Und just in dieser Zeit folgten ein Jahrhunderthochwasser, lange Trockenmonate und Niedrigwasserstände. „Für unseren Test war das perfekt, weil wir damit nachweisen konnten, dass wir auch in künftigen Extremsituationen ausreichend Trinkwasser in hervorragender Qualität gewinnen können“, berichtet Holger Scheffler.

"Wir haben sozusagen gleich den Worst Case merhfach geprobt."

Das Ergebnis: Selbst in Trockenzeiten können pro Jahr problemlos circa 3,5 bis 5,5 Millionen Kubikmeter reinstes Trinkwasser ins Netz eingespeist werden. Zu- und Ablauf des Stausees bleiben dabei so geregelt, dass immer ausreichend Wasser vorhanden ist. Zumal das kostbare Nass aus der Kinzigtalsperre nur eine ergänzende, nicht die ausschließliche Trinkwasserquelle für die Region sein wird.

Nach Abschluss der Testphase geht das Projekt nun in die Planung und soll aus heutiger Sicht etwa 2026 den Betrieb aufnehmen. Dazu gehört dann auch ein neues Hightech-Wasserwerk, das die klimafeste Wassergewinnung erst möglich macht. Ein Gewinn für die ganze Region, wie Holger Scheffler betont: „Wir haben damit einen wirtschaftlichen Weg gefunden, die Wasserversorgung für den Main-Kinzig-Kreis auch in Zukunft sicherzustellen und sie ideal mit dem Hochwasserschutz in einer wunderbaren Naturkulisse zu vereinen.“ Und wenn die Anlage einmal in Betrieb ist, wird sie mindestens 50 Jahre laufen.